Der Besuch des Nuntius Pacelli 1921 bei Ellinka Freiin von Fabrice

Am 21. August 1921 erfuhr die kleine Gemeinde Malgersdorf in Niederbayern, zwischen Landau/Eggenfelden gelegen, eine besondere Ehre.

Meine verwitwete Großmutter Ellinka v. Gans, geb. Freiin v. Fabrice, hatte im Jahre 1916 nochmals geheiratet.

Ihr zweiter Ehemann hieß Haupt Graf zu Pappenheim. Sie bewohnten das 1920 erworbene Gut und Schloss Malgersdorf. Das Herrenhaus wurde durch einen Bibliotheken Anbau vergrößert und das Haus von meiner Großmutter mit ihrem ausgewählten Geschmack wunderbar eingerichtet. Sie widmete sich auch mit Leib und Seele der Landwirtschaft und dem Gutsbetrieb, der mit Hilfe eines tüchtigen Verwalters sehr „ordentlich funktionierte und das Haus“ ernährte.

Ein frühes Aquarell des kleinen Schlosses, Archiv AvG

Meine Großmutter freute sich ungemein auf Gäste – wie wir aus ihrem Gästebuch entnehmen können – und besonders auf ihre Kinder aus erster Ehe, die damals in Grainau bei Garmisch, in den Häusern ihres ersten, verstorbenen Ehemannes Dr. Paul v. Gans, lebten.

Joszi v. Gans und seine Schwester Margot in der Schmölz, dem Herrenhaus der Familie Dr. Paul v. Gans.

Im Frühjahr 1921 verkündete die inzwischen verheiratete Margot nun v. Bischoffshausen, dass sie nach Rom fahren werde. Um davon abzulenken, dass ihre Ehe mit Werner v. Bischhoffshausen vor der Trennung stand bzw. sie die Annullierung suchte, fragte sie – charmant wie sie war – ihren Stiefvater Pappenheim, was sie denn aus Rom mitbringen könne. Dieser antwortete auf humorvolle Art: „den großen päpstlichen Segen für die Gemeinde“.

Es schien ihm eine unwirklicher Gedanke, da an Protestanten, wie sie es waren, nur ganz selten so eine Gnade erteilt wurde.

Es verging eine längere Zeit, ehe von der päpstlichen Nuntiatur in München ein Anruf kam.
Graf Pappenheim möge doch in dem von seinem Großonkel Karl Theodor als Corps Kommandant erbaute „Kleine Palais“ vorsprechen.

Margot`s Stiefvater fuhr mit großer Neugierde nach München und zu seinem größten Erstaunen eröffnete Nuntius  Pacelli – der spätere Papst Pius XII – , dass er von seiner Heiligkeit Papst Benedikt XV, beauftragt sei, ihm für Haus und Gemeinde in Malgersdorf den „großen Segen“ zu überbringen.

Er wurde allerdings darauf hingewiesen, dass für diesen Fall bestimmte Zeremonien vorgeschrieben seien, wie z.B. ein levitiertes Hochamt in der Malgersdorfer Kirche.

Graf Pappenheim versicherte, alles tun zu wollen, denn in Anbetracht dieser hohen Ehre sollte die Organisation würdig vorbereitet sein und er bat Seine Eminenz, doch bei ihnen im Schloss abzusteigen.

Voller Freude und Erwartung fuhr er nach Hause und zum festgelegten Tag – dem 21. August 1921 – wurde die Kirche festlich geschmückt und der benachbarte Adel, Vertreter der Geistlichkeit und Honoratioren eingeladen.

Schon am 19. August traf Nuntius Pacelli mit einem Sekretär ein und legte dann ein spezielles Ornat an, den ein Nuntius nur trägt, wenn er in persönlicher Vertretung des Papstes agiert.

Über einer reichen Spitzentunika trug er ein prachtvolles Purpurgewand mit Pelzkragen und Schleppe. Dazu eine besondere dreifache Tiara.

An jenem denkwürdigen Tag erwarteten mittlerweile Hunderte von Festgäste den Vertreter des Papstes und gewissermaßen die Verkörperung des ehrwürdigen Souveräns der Christenheit.

Festlicher Orgelklang erfüllte den Raum, als die schlanke Gestalt in Purpur aus der Sakristei tretend – würdevoll beherrscht – auf einem erhöhten Thronsessel Platz nahm.

Über seinem Kopf glitzerte die Tiara.

Nach hundertjährigem Ritus wurde das feierliche Hochamt abgehalten. Dann erhob der Kardinal segnend die Hand, während die Gemeinde in die Knie sank. Danach schallten die Worte der päpstlichen Botschaft in die lautlose Stille. Es war ergreifend.

Nuntius Pacelli und Graf und Gräfin Pappenheim im Seiteneingang des Schlosses Archiv AvGans

In dieser in sich Gekehrtheit bewegte sich der Zug nach dem Hochamt durch das geschmückte Dorf zum Schloss. Die geladenen Festgäste begaben sich in die Bibliothek und erwarteten den Nuntius.

Die benachbarten Familien der Grafen Arco, Grafen Deym, und Freiherrn von Aretin wie auch andere Adelige knieten nieder.

Sie wurden ihm anschließend einzeln vorgestellt.

Nach dem Mittagessen überreichte meine Großmutter Ellinka Gräfin Pappenheim dem Nuntius eine silberne Schale, wogegen der Nuntius ein Geldgeschenk für die Armen der Gemeinde überreichen ließ.

Den Papstorden fand ich in den Familienunterlagen und gehe davon aus, dass er ebenso an meine Großmutter übergeben wurde.

Ehrenhalber Orden des Vatikan (Papstorden) der Firma Tanfani & Gertarell, Rom

Unter Glockengeläute und Böllerschüssen verließ alsbald nach dem grandiosen Empfang das Auto des Nuntius das Schloss und die Gemeinde.

Graf Pappenheim erfuhr erst später die Hintergründe dieses sensationell Besuches.

Seine Stieftochter Margot v. Gans, verheiratete v. Bischoffshausen hatte auf einem Empfang in Rom den Kardinal Staatssekretär getroffen (Msgr. Vannutelli?) welcher sie fragte, ob sie denn schon zur Audienz bei seiner Heiligkeit gemeldet sei, worauf sie relativ unbedarft von ihrem „Auftrag“ aus Malgersdorf sprach. Mit ihrem jugendlichen Charme, sie war 20 Jahre alt, und ihrer Schönheit, konnte sie den Kardinal dazu bringen, ihr Unterstützung zu gewähren.

Als sie dann tatsächlich beim Papst zur Audienz vorgeladen wurde, erzählte sie diesem ganz unbefangen, dass es für ihren Stiefvater und sogar für ganz Niederbayern und erst recht für Malgersdorf als hohe Auszeichnung zu sehen sei, wenn dieser Segen in die Gemeinde gebracht werden könne. Lachend habe der Papst gesagt: „Ja, mein Kind, ich werde es arrangieren lassen“.

Und so kam der große Segen in die Gemeinde und das Schloss meiner Großmutter und ihres zweiten Ehemannes. Die bäuerliche Bevölkerung nahm dies mit großer Freude wahr und gratulierte der Hausherrin – meiner Großmutter – mit ehrlicher Anteilnahme.

Bald darauf wurde Nuntius Pacelli zu höchsten Würde der Christenheit berufen.
Er wurde Papst Pius XII.

Graf Pappenheim erinnerte sich mit großem Respekt vor dessen Persönlichkeit.

Margot v. Gans – Bischhoffshausen wurde geschieden und wurde Gräfin Einsiedel.